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Eine Reise ins Wein-Mekka: Salon des Vins des Vignerons Indépendants Strasbourg Februar 2009

von weinnase
27. Februar 2009
Salon des Vins des Vignerons Indépendants Strasbourg Februar 2009

Die alljährlich im Februar stattfindende Weinmesse Salon des Vins des Vignerons Indépendants in Strasbourg (oder Straßburg, für Liebhaber der deutschen Schreibweise) ist nur eine von vielen derartigen Messen in Frankreich, aber aufgrund ihrer grenznahen Lage ein Mekka für alle Weinliebhaber im deutschen Südwesten und teilweise weit darüber hinaus - auf dem Parkplatz stand sogar ein Auto aus Jena. Die Vigneron Indépendant ist eine Vereinigung der selbstvermarktenden Winzer Frankreichs. Das bedeutet Probieren und Fachsimpeln direkt beim bzw. mit dem Winzer und Einkaufen ohne Zwischenhändler. Mithin die Gelegenheit für attraktive Schnäppchen und für die Entdeckung von Weinen, die man nirgendwo sonst bekommt.

Die Veranstaltung hat ihren eigenen, leicht amateurhaften Charme. Das beginnt bei den Parkplätzen: Das Messegelände im Strasbourger Stadtteil Wacken gleich neben dem futuristischen Bau des Europaparlaments ist chronisch knapp an Parkplätzen. Bemerkenswert ist, dass die vorhandenen Flächen trotz des völligen Fehlens von Markierungen oder Einweisern erstaunlich effizient genutzt werden. Es ist völlig aussichtslos, auf Anhieb einen freien Parkplatz zu finden. Die einzige reelle Chance, die man hat, ist, kistenbeladenen Besuchern zu folgen, die ihrem Fahrzeug zustreben, und geduldig zu warten, bis sie ihren Wein verstaut haben und abfahren. Alle hinter einem Wartenden harren geduldig aus, denn sie wissen, auch ihnen wird sich bald eine Chance bieten. Dies klappt erstaunlich gut, obwohl mindestens ein Drittel der Besucher deutsche Nummernschilder haben. Unter Weinliebhabern hält man halt zusammen.

Messeambiente

Der Eintritt in die Ausstellungshallen kostet sechs Euro, es sei denn, man ist Stammgast und hat von einem der Winzer, bei dem man das letzte Mal eingekauft hat, eine Einladung erhalten, oder ist in Begleitung eines Einladungsinhabers, dann ist der Eintritt kostenlos. Man bekommt das für diesen Tag wichtigste Utensil, ein Weinprobierglas, in die Hand gedrückt, und los geht’s. Ist man erst mal drin, versteht man recht bald, warum es nicht mehr Parkplätze gibt: Es wimmelt nur so von Besuchern, wären es noch mehr, dürfte es ziemlich ungemütlich werden.

Der Eindruck, der sich beim ersten Betreten der Ausstellungshalle bietet, ist überwältigend: Sechs parallele Gänge, jeder an die hundert Meter lang, an denen sich beidseitig fast lückenlos Probierstände aneinander reihen, jeder ca. 2,50 Meter breit, ohne System bunt gemischt aus allen Regionen Frankreichs. Spätestens jetzt bereut man es, wenn man sich nicht ein wenig vorbereitet und ein paar Adressen vorselektiert hat. Als Grundausstattung empfiehlt sich übrigens eine Flasche Wasser und Laugengebäck. Es hilft, den Gaumen frisch und aufnahmefähig und den Kopf klar zu halten. Man kann vor Ort auch recht schmackhafte Baguettes kaufen, allerdings zu gesalzenen Preisen.

Eindrücke
Eindrücke

Ein weiteres Problem kündigt sich schon an, wenn man die Homepage der Winzervereinigung besucht. Die ist nämlich rein französisch. Und diese Erfahrung setzt sich bei vielen Probierständen fort: Möchte man mit den Winzern fachsimpeln, ist man gut beraten, zumindest ein paar Brocken Französisch zu beherrschen, denn viele Winzer parlieren ausschließlich in ihrer Muttersprache. In meinem Fall führt das dazu, dass ich meine Gespräche immer mit „Est-ce que vous parlez allemand ou anglais?" beginne. Wenn die Antwort „Non" lautet, wird es schwierig, da mein Französisch sich auf ca. 100 Vokabeln beschränkt. Tiefschürfende Gespräche sind dann nicht möglich, aber zum Probieren und Einkaufen reicht es in der Regel.

Glücklicherweise gibt es dennoch genug Winzer, die des Englischen oder Deutschen mächtig sind. Einige haben sich sogar extra mit deutschsprachigen Hilfskräften verstärkt, um ihre vielen deutschen Stammkunden besser bedienen zu können. So auch Familie Vidal vom Château Dubraud aus der AOC Côtes de Blaye. Das Gespräch am Probierstand verlief gerade für mich besonders angenehm, da sich herausstellte, dass meine Ansprechpartnerin zwei Jahre in meiner Heimatstadt Hannover gelebt und gearbeitet hatte und fast akzentfrei Deutsch sprach. Aber auch mit der Winzerin, Madame Vidal selbst, war die Verständigung auf Deutsch problemlos.

Besuch am Stand von Château Dubraud

Am Stand von Château Dubraud

Château Dubraud ist eigentlich für seine hochklassigen Rotweine bekannt. Leider sind tanninbetonte Bordeaux nicht so mein Fall, die Weine von Dubraud brauchen offenbar eine längere Reifezeit, bevor sie sich ihren Liebhabern öffnen. Selbst der 2003er, obwohl dekorativ im Dekanter präsentiert, gab sich noch ziemlich verschlossen. Also wandte ich mich dem deutlich leichteren Weißwein und dem Rosé zu, den die Vidals selbstbewusst Clairet nennen.

Dies war im 11. bis 15. Jh., als das alte England große Teile Frankreichs besetzt hielt, ein Synonym für Weine aus Bordeaux. Damals war es modern, Rotweine nur kurz auf der Maische gären zu lassen, sodass sie eine hellrote Farbe annahmen. Seitdem steht dieser Begriff in Großbritannien für Hochgewächse aus dem Bordelais. Heute verwenden traditionsbewusste Winzer den Begriff gelegentlich für ihre dunkleren Roséweine. Beide Weine waren von vorzüglicher Eleganz, mehr dazu demnächst in den jeweiligen Verkostungsberichten.

Besuch am Stand von Château Etang des Colombes

Fachsimpelei auf Englisch

weinnase probiert

Weinnase probiert ausführlich

Die nächste Station war der Stand von Château Etang des Colombes der AOC Corbières aus der Nähe von Carcassonne. M. Christophe Gualco ist ein dynamischer Vertreter seiner Zunft und spricht zwar nicht Deutsch, aber fließend Englisch. Das Château produziert charaktervolle Rot- und Weißweine, mein diesjähriger Favorit war der Bicentenaire, eine Cuvée aus Grenache noir, Carignan und Mourvèdre, ein Dreivierteljahr auf Eichenfässern gereift. Der Jahrgang 2006 hat für meinen Geschmack mehr zu bieten als das Flaggschiff Bois des Dames von 2005.

Ein Beispiel, wie sehr sich Jahrgänge ein und desselben Weins unterscheiden können, der 2004er Bois de Dames war deutlich opulenter und tanninbetonter. Von ihm gibt es auch eine weiße Version aus den Rebsorten Bourboulenc, einer alten südfranzösischen Sorte, und Grenache, gereift in neuen Eichenfässern. Das Barrique ist für meinen Geschmack allerdings etwas zu präsent, eher im Neue-Welt-Stil der Australier, und nicht ganz ausbalanciert. Eine Wolke dagegen ist der reinsortige Viognier. Details demnächst hier in einem eigenen Blogpost.

Die nächste Adresse, Château La Bastide Saint Dominique, war der eigentliche Grund, warum ich vor einigen Jahren zum ersten Mal mit Freunden den Salon des Vins besuchte. Der Côtes du Rhône, den ich dort kredenzt bekam, hatte mich so beeindruckt, dass ich nicht lockergelassen hatte, bis mir verraten wurde, woher dieser Wein stammte. Die Winzerfamilie Bonnet ist auf ihre deutschen Stammkunden – es scheint einige zu geben – immer sehr gut vorbereitet. M. und Mme. Bonnet sprechen zwar nur Französisch, aber früher war ihre Tochter, die in Deutschland studiert hat, immer am Stand dabei, heute ist es eine Freundin der Familie, die ebenfalls fließend Deutsch spricht.

Probierflaschen

Die Rotweine von La Bastide St. Dominique sind von faszinierender Dichte und Komplexität, bereits der Basiswein Côtes du Rhône hat mit nicht einmal sechs Euro ein sagenhaftes Preis-Leistungsverhältnis. Leider führt das regelmäßig dazu, dass er sehr früh ausverkauft ist. Der Salon de Vins in Strasbourg geht traditionell von Freitag bis Montag am zweiten Februar-Wochenende, und bereits am Samstagabend war Familie Bonnet halb leergekauft. Ich war leider erst am Sonntag da.

Immerhin gab es noch die Cuvée Jules, mit knapp 10 Euro etwas kostspieliger, aber ebenfalls jeden Cent wert. Aus 75% Syrah und 25% Grenache gekeltert, bietet sie komplexes Fruchtaroma, eine milde, elegante Säure, leichte Restsüße und einen langen Nachklang.

Die eigentliche Sensation sind aber die Weine der zweiten AOC, auf deren Gebiet Château La Bastide Saint Dominique liegt: Châteuneuf-du-Pape. Die Weine dieser Appellation gehören zu den kräftigsten und komplexesten Rotweinen Frankreichs, in ihrer Cuvée sind bis zu 13 verschiedene Rebsorten enthalten, und der Alkoholgehalt beträgt nicht selten 15%. M. Bonnet keltert seinen Châteauneuf aus 80% Grenache, 10% Syrah, 5% Mourvedre und 5% Cinsault und verzichtet auf Barriques. Das Ergebnis ist überbordende Fruchtigkeit, samtige Tannine, komplexeste Aromen sowie ein nicht enden wollender „Abgang". Mit 18 Euro ist dieser Wein sicher kein Sonderangebot, aber als Liebhaber des Besonderen, wie ich einer bin, gönnt man sich das nur allzu gern - ausnahmsweise. Über beide Weine hier demnächst mehr.

Das Flaggschiff des Châteaus ist der Secrets de Pignan. Er ist gekeltert aus 100% Grenache von fast hundertjährigen Weinstöcken. Das Ergebnis ist atemberaubend, ich kann es mit Worten nicht beschreiben. Hier nur so viel: Obwohl ich um Weine mit zweistelligen Preisen in der Champagnerklasse normalerweise einen großen Bogen mache, war mir eine Flasche dieses Meisterwerkes, von dem es jedes Jahr nur etwa dreieinhalbtausend Flaschen gibt, 26 Euro wert. Die Weine von Château La Bastide St. Dominique findet man mit etwas Glück bei dem einen oder anderen Online-Weinshop (Google ist Dein Freund).

Besuch am Stand der Famille Estève

Am Stand der Famille Estève

Der krönende Abschluss war wie jedes Jahr ein Besuch am Stand der Famille Estève, Produzenten erlesener Cognacs. Die Dialoge mit M. und Mme. Estève sind immer etwas mühsam, da sie weder Deutsch noch Englisch sprechen. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: M. Estève bietet seine edlen Destillate bereitwillig zur Verkostung an, und Worte wie „formidable", „excellent" oder „exceptionnel" kriege ich, insbesondere am Ende dieses intensiven Verkostungs-Marathons, noch gut über die Lippen.

Bereits der Grande Tradition ist ein Erlebnis an Weichheit, wunderbar fruchtiger Traubensüße und einem betörenden Barrique-Duft, der noch am nächsten Morgen im Glas hängt. Die Preise entsprechen denen hochwertiger Single Malt Whiskies, angesichts der gebotenen Qualität kann man sie aber nur als angemessen bezeichnen.

Spätestens hier war dann Feierabend, da noch eine mehr als einstündige Heimfahrt im eigenen Auto anstand. Mir ging’s zwar noch ganz gut, aber da ich für meinen Beifahrer Mipi Mitverantwortung trug, gab ich mich mit meiner Ausbeute für dieses Mal zufrieden.

Nun galt es noch, die Ausbeute (wie viele Kisten, wird hier nicht verraten) sicher ins Auto zu schaffen. Das ist aber ganz leicht. Man fragt einfach einen der Winzer, ob man sich eine Transportkarre leihen kann. Nach eidesstattlicher Versicherung, sie nach spätestens 20 Minuten zurückzubringen, bekommt man sie problemlos ausgehändigt - um dann draußen auf dem Parkplatz sogleich eine Karawane parkplatzsuchender Besucher anzuziehen. Trotzdem kann man die Karre noch ganz in Ruhe zurückbringen, ohne dass einem ein Haar gekrümmt wird. Und da man sämtliche Einkäufe per Kreditkarte bezahlen konnte, kann man sich zuhause zu der dann fälligen Nachverkostung im Familien- und Freundeskreis auch noch ein standesgemäßes Essen leisten.

Au revoir Strasbourg, bis zum nächsten Jahr!

Bis zum nächsten Jahr

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