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Winzerporträt: Frank Schiele, Rauenberg - der Selfmade-Winzer

von weinnase
29. Juni 2011
Winzerporträt: Frank Schiele, der Garagenwinzer

Wenn man einem Autodidakten begegnet, ist das meist ein besonderes Erlebnis. Menschen, die etwas so sehr lieben, dass sie es sich selbst beibringen, haben oft ein ganz eigenes Charisma. Sie machen ihr liebstes Hobby zum Mittelpunkt ihrer Tätigkeit, sprechen professionell mit Leidenschaft und Feuereifer darüber und bleiben dabei doch ganz Privatmann. Was ich nie gedacht hätte, ist, dass es auch unter den Winzern Autodidakten gibt, ich konnte mir kaum vorstellen, dass so etwas möglich ist.

Seit dem Besuch des Man kann's essen-Teams bei Frank Schiele weiß ich es besser. Schiele ist Selfmade-Winzer und Weinmacher aus Leidenschaft. Im Hauptberuf Zahntechniker, hat er nie eine Weinbauschule besucht. Zur Weinprobe bittet er an den Esstisch im Wohnzimmer seines Privathauses in Rauenberg im badischen Kraichgau. Beim Verkosten der Werke, die er nebenan in der Garage und eine Etage tiefer in seinem Keller fabriziert, verfliegen dann schnell die letzten Zweifel: Bei Frank Schiele hat man es mit einem Naturtalent und Senkrechtstarter in Sachen Wein zu tun.

Dass er zwischen den Rauenberger Weinbergen aufgewachsen ist, spielt dabei aber höchstens im Hintergrund eine Rolle. Denn Schiele ist erst seit 2005 Winzer, und in seiner großen Familie gibt es keinerlei Weinbau-Tradition. Gefragt, wie er zum Weinbau gekommen ist, gibt er zwei ganz unterschiedliche Antworten, die einem gleichermaßen Respekt abnötigen. Zum einen, meint er, trinkt er einfach gern gute Weine und weiß, wie ein guter Wein schmecken muss. Auf seiner Homepage steht denn auch das schöne Motto Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. Und dann hat er einfach mal wissen wollen, ob er das selber auch hinbekommt. Dabei ist er selbstbewusst genug, die großen burgundischen und italienischen Weine als seine Vorbilder zu nennen.

Die andere Antwort fand ich noch sympathischer: Er habe es nicht mehr so lange bis zum Ruhestand (kaum zu glauben, wenn man ihm gegenübersitzt), und dann brauche man schließlich was zu tun. Da kann man nur sagen: Chapeau! Wo andere sich mit Kaninchenzucht und Gartenarbeit zufrieden geben, legt Schiele also erst so richtig los. Dementsprechend bezeichnet er seine Winzertätigkeit auch nicht als Nebenberuf. "Wenn ich im Weinberg stehe, bin ich im Urlaub. Das ist Entspannung pur!" sagt er mit genüsslich-entspanntem Gesichtsausdruck.

Schiele ist eine One-Man-Show, er bewirtschaftet derzeit einen Hektar Rebfläche. Unterstützung bekommt er allerdings im Weinberg von einem "rüstigen Ruheständler", wie er sagt, der ihm bei den arbeitsintensiven Tätigkeiten zur Hand geht. Vieles ist dabei reine Handarbeit, wie z.B. das Lesen der Trauben und das Entrappen der Beeren. Selbst das Zerstampfen hat Frank Schiele zu Anfang seiner Winzerkarriere noch traditionell mit Gummistiefeln im Bottich gemacht, mittlerweile erledigt das eine Maschine. Das alles passiert in seiner Doppelgarage, in der außer seiner Harley und seiner Vespa allerdings kein Fahrzeug mehr Platz hat, und seinem kleinen Keller von kaum 20 m², in dem er seine Barriques und Edelstahltanks lagert. Aber nicht mehr lange, denn die Planungen für einen Anbau mit Gewölbekeller stehen kurz vor dem Abschluss.

Der Winzerkeller
Der Winzerkeller

Sein Wissen hat er unter Anderem seinen guten Beziehungen zu den beiden Großmeistern des Kraichgauer Weinbaus, Thomas Seeger und Bernd Hummel zu verdanken. Speziell beim Rotwein merkt man das sehr deutlich. Schiele, selbst bekennender Fan großer roter Gewächse, gibt sich mit dem Keltern von Schoppenweinen gar nicht erst ab. Außerdem beschränkt er sich nicht auf die lokal etablierten, sondern verwendet internationale Rebsorten und experimentiert mit unkonventionellen Cuvées. Seine Roten reifen ausnahmslos in ein bis zwei Jahre alten Barriques.

Die Rotweine

Das Ergebnis spricht für sich: Schieles Rotweine sind elegant und komplex, sie haben eine deutliche, aber angenehme Tanninstruktur und ein konzentriertes Aroma. Die Röst- und Holznoten sind gut eingebunden, der Alkoholgehalt ist mit z.T. über 13 Vol.-% recht stattlich, ohne dass die Weine sonderlich schwer wirken. Restsüße und Säure stehen in einem schön ausbalancierten Verhältnis, die Weine sind bereits aus der Flasche nach kurzer Belüftung im Glas gut trinkbar, dürften sich aber durch Dekantieren und längere Reifung in der Flasche noch weiterentwickeln. Sie sind vom Charakter her einem Bordeaux nicht unähnlich, haben jedoch ihren ganz eigenen Stil.

Besonders angetan hatten es mir der reinsortige Merlot von 2008 und die gleich alte, spannende Cuvée "M" aus gleichen Anteilen Cabernet Sauvignon, Merlot und Spätburgunder. Hatte ich bisher immer über die Modetrends gelästert, dass heute aller Orten dem Mainstream angepasste Cabernet- und Merlot-Weine gekeltert und die lokalen Sorten vernachlässigt werden, bleibt mir hier der Spott schlicht im Halse stecken. Frei nach John Maynard Keynes: Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung. Die Rotweine von Frank Schiele sind dafür Faktum genug.

Abgesehen davon, dass ihm auch der traditionelle Spätburgunder meisterhaft gelungen ist. Das fällige überschwängliche Lob kontert Schiele in der ihm eigenen bescheidenen Art: Rotwein machen sei eigentlich nicht besonders schwer, man müsse nur dieses und jenes beachten. Nun ja, wenn das wirklich so einfach wäre, warum schwappt dann in deutschen Weinflaschen oft so eine traurige Brühe herum? Aber lassen wir Herrn Schiele seine kleinen Geheimnisse.

Eine ausführliche Weinprobe in Schieles privatem Wohnzimmer
Eine ausführliche Weinprobe in Schieles privatem Wohnzimmer ...

Die Weißweine

Schieles Weißweine sind dabei kein bisschen weniger anspruchsvoll. Auch hier zeigt sich der Stil des Hauses: Die Weine sind durchweg klar, filigran und fruchtig und mit um die 11 Vol.-% Alkohol eher leicht, die Säure ist durch die Kaltmazeration sehr zart. Die beiden Weißen aus dem Barrique allerdings spielen in einer anderen Liga, sie sind konzentrierter und haben eine schöne Restsüße, ohne dabei allzu schwer oder gar wuchtig zu sein. Besonders hervorzuheben ist dabei der Grauburgunder Spätlese aus über 50 Jahre alten Weinstöcken.

Der deutsche Weinführer Eichelmann beschreibt Schieles Sortiment in seiner 2011er Ausgabe sehr treffend. Auch ein filigraner und spritziger Cabernet-Sauvignon-Rosé ist dabei. Ein solcher Wein ist in deutschen Landen noch seltener als roter Cabernet, von daher werde ich ihm demnächst einen eigenen Beitrag widmen. Für die Freunde des Hochprozentigen gibt es außerdem einen weichen runden, fünf Jahre im Eichenfass gelagerten Marc (oder Grappa oder Tresterbrand, je nachdem ob man franko-, italo- oder germanophil ist) mit konzentrierten Aromen.

mit ausführlichen Erläuterungen des Selfmade-Winzers
... mit ausführlichen Erläuterungen des Selfmade-Winzers

Fazit

Frank Schiele ist ein echter Geheimtipp. Eine Weinprobe bei ihm daheim ist ein sehr intensives, privates Erlebnis. Man kann ihm bei seinen Expansionsplänen nur Glück wünschen und neugierig auf die Ergebnisse sein. Der nächste große Wurf ist bereits in Vorbereitung, Schiele arbeitet gerade an seinem ersten Winzersekt. Wir warten gespannt und schauen garantiert bald wieder vorbei. Wer jetzt neugierig geworden ist und nicht im Kraichgau wohnt oder demnächst dort vorbeikommt, für den gibt es die gute Nachricht: Frank Schiele präsentiert sein gesamtes Sortiment auf seiner Homepage, und bei ihm kann man auch per Telefon, Fax oder E-Mail bestellen.

Nachruf

Frank Schiele ist tragischerweise 2015 verstorben. Dieser Artikel soll aus Respekt vor und in Andenken an ihn unverändert bleiben. Seine Kinder Sina und Marius führen das Weingut seitdem weiter. Mittlerweile gibt es auch eine Facebook-Seite mit vielen aktuellen Fotos und einen Online-Shop. Einige Weine des Weinguts können außerdem über die Plattform Wirwinzer.de bezogen werden.

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