Die Parker-Aldi-Weinverlade: Azumbre Verdejo Rueda 2010 von Aldi-Süd
Eigentlich sollte es halbwegs intelligente Menschen auszeichnen, dass sie einen Fehler nur einmal machen. Leider ist da oft die Gier davor. Azumbre Verdejo Rueda 2010 - ein spanischer Rueda mit 90 Parker-Punkten aus 80-jährigen Reben für 4,99 Euro? Da muss man doch dabei sein. Eigentlich musste ich ja schon oft genug erleben, dass Aldi bei seinen zusammen-gecasteten, auf edel getrimmten vergorenen Traubensäften hemmungsloses Overselling betreibt. Ich hätte es also besser wissen müssen.
Eine kleine Recherche über diesen Wein fördert erstaunliche Informationen zutage. Offenbar stellt das Verkostungsteam von Parker überhaupt nicht sicher, dass ein mit Parker-Punkten beworbener und vertriebener Wein mit dem verkosteten identisch ist. Die Fachzeitschrift Weinwirtschaft schreibt in ihrer Ausgabe vom 15. Dezember 2011 (Artikel leider nicht mehr online), dass der Azumbre Verdejo bereits im April von einem Mitarbeiter des Parker-Teams verkostet, aber erst im Herbst abgefüllt wurde. Offenbar interessiert es Parker wenig, was mit den von ihnen verkosteten Weinen hinterher geschieht. Es sieht ganz so aus, als wankt hier gerade ein Mythos.
Die französische Juristin Hanna Agostini, die von 1995 bis 2003 zu Parkers Mitarbeitern gezählt hatte, hat in ihrem 2007 veröffentlichten Buch »Robert Parker – Anatomie eines Mythos« schwerwiegende Vorwürfe gegen Parker erhoben und unterstellt ihm unprofessionelle Arbeitsweise und vorsätzliche Täuschung. Sollte dies zutreffen, dann gibt es also nicht nur in der Finanzwirtschaft Ratingagenturen mit zweifelhaften Methoden, die Interessenskonflikte mit ihren Kunden haben, deren Produkte sie für teures Geld bewerten, womit die Kunden dann wiederum Werbung betreiben.
Der Azumbre Verdejo aus der letzten Aldi-Süd-Aktion ist eine Steilvorlage für diese These. 90 Parker-Punkte sind wirklich eine Ansage, da darf man einiges erwarten. Aber schon beim Bouquet beginnt man sich zu fragen, was Mr. Parker oder einer seiner Mitarbeiter geraucht haben mögen, bevor sie diesen Wein verkosteten. Das Aroma erinnerte mich spontan an Fruchtkaugummi oder aromatisierten Pfirsichjogurt, irgendwie hatte ich das Gefühl, etwas klebrig Süßes vor mir zu haben.
Dann der erste Schluck: Blasser Auftakt, irgendwas mit gelben Früchten, aber nicht der Rede wert. Dazu ein leichter, adstringierender Bitterton, der immer unangenehmer wurde, je länger der Wein geöffnet war. Das Mundgefühl war denn auch entsprechend, ein bisschen wie bittere Medizin oder Wermut. Der Abgang verschwand irgendwie im Nichts, leider ohne die penetrante Bitternote mitzunehmen.
Der Weinblogger Weinkaiser hätte es in seinem Beitrag vom Januar 2010 über den 2008er, der angeblich auch schon 89 Parker-Punkte erhalten haben soll, nicht besser treffen können: "Leider ist dieses blasse, dünne, leicht bittere und vor allem langweilige Weinchen weder die 5 Euro und schon gar nicht die 89 Punkte wert." Der Autor des Weinwirtschaft-Artikels formuliert seine Enttäuschung ähnlich drastisch: "Ein mittelprächtiger Wein, der mit 78 bis 79 Punkten gut bedient ist. Schon ein bisschen müde, alt und vor allem mit Säure aufgepeppt, [die] nahezu aggressiv wirkt. Da waren Önologen dran, die aus schwachem Material noch das Beste herausgeholt haben."
Chapeau und danke, liebe Kollegen! Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Vergleichen wir doch mal mit der Beschreibung bei Aldi-Süd: "Am Gaumen ist er sauber, saftig, gehaltvoll und frisch mit angenehmer Frucht und guter Länge." Passt irgendwie zu jedem Wein und erinnert mich fatal an die Reiseberichte von Pauschalreisenden aus den Discount-Hotels der spanischen Costa Brava. Sauber sei es gewesen, heißt es da meist, und große Portionen habe es bei der Vollpension gegeben. Ob es schön war oder geschmeckt hat - egal, Hauptsache Spanien.
Den fast genau gleichen Bullshit hat uns Aldi auch schon letztes und vorletztes Jahr verkaufen wollen. Was mich an dieser Dreistigkeit besonders ärgert: Hier werden systematisch Kunden, die oft in Weinsensorik wenig erfahren sind, mit großen Namen und Pseudo-Gutachten zum Kauf von minderwertigen Produkten verleitet. Das ist vorsätzliche Täuschung von Konsumenten und für mich an der Grenze zum Betrug. Diese gutgläubigen Menschen denken dann tatsächlich, hochwertiger Wein müsse eine solche penetrante Bitternote haben, und sie beißen die Zähne zusammen in dem irrigen Glauben, sich etwas Besonderes zu gönnen. Für mich ist das organisierte Volksverdummung.
Wirklich traurig, dass Aldi mit dieser linken Tour immer wieder durchkommt. Und wenn ich gerade dabei bin: Der Rioja Reserva aus angeblich 100-jährigen Reben ist genau so ein trauriges Gebräu: Alkoholreich, schwer, plump, holzig, das war's. Ich war leider dämlich genug, auch davon eine Flasche zu kaufen, diese Dummheit (oder Gier?) hat mich fast einen Zehner gekostet. Dafür hab ich immerhin ein schönes, künstlerisch gestaltetes Etikett erstanden.
Also, liebe Schnäppchenjäger, wenn Sie auf der Suche nach günstigem, bezahlbarem Wein sind, bitte - BITTE - wenden Sie sich an den Winzer oder Weinfachhändler Ihres Vetrauens. Er wird Ihnen auch für unter fünf Euro einen Wein anzubieten haben, der es wert ist. Wein ist ein Genussmittel, und diesen Genuss soll man sich nicht einreden müssen, sondern man soll ihn wirklich erleben. Wie heißt es so schön: Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. Verstanden, Herr Albrecht?
Update vom 3.12.2013
Diesen seltsamen Wein gibt es - leider - bei Aldi Süd alle Jahre wieder. In der neuesten Aktion wird er aber erstmals seit Jahren nicht mehr mit Parker-Punkten beworben. Die Sache ist wohl entweder Parker oder Aldi dann doch zu heiß geworden. :-)
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