Bio-Wein vom Feinsten: Pasión Delinat 2009
Bis vor Kurzem hab ich mir nicht viel aus Wein aus biologischem Anbau gemacht. Beim Wein interessieren mich in erster Linie Geschmack und Herkunft. Meinen Lieferanten vertraue ich in der Regel soweit, dass sie mir ein lebensmitteltechnisch einwandfreies Produkt verkaufen, und bei Anbautechniken finde ich vor allem wichtig, inwieweit sie dem Geschmack und der Typizität des Weines zuträglich sind. Aber man lernt ja gern dazu.
Neulich wurde ich eingeladen, einen neuen Wein des Schweizer Versandhandelsunternehmens Delinat AG zu verkosten, den Pasión Delinat 2009. Delinat ist auf den Vertrieb von europäischen Weinen aus kontrolliert biologischem Anbau spezialisiert. Das Probepaket erreichte mich zusammen mit professionellem, speziell für diesen Wein erstellten Prospektmaterial, einem kleinen Tapas-Kochbuch und sogar, man glaubt es kaum, einer dem Wein gewidmeten CD mit Flamenco-Musik. Ein solches Marketingfeuerwerk macht mich normalerweise eher skeptisch, es wäre nicht das erste Mal, dass hier eine gut geölte Marketingmaschine einen mittelmäßigen Massenwein teuer verkaufen helfen soll. Aber diesmal war alles anders ...
Immerhin, der Delinat-Wein stammt aus kontrolliert biologischem Anbau nach den Delinat-Richtlinien, die strenger sind als die aktuellen EU-Bio-Normen und in einem eigenen Institut überwacht werden, es gibt sogar ein eigenes Bio-Garantiesiegel. Ich finde so viel Aufwand respektabel, immerhin brauche ich nur auf den Winzerkalender meiner Weinbau-Gemeinde zu schauen, um zu sehen, was in den Weinbergen über das Jahr so alles an Chemie versprüht wird. Vieles davon wollte ich bisher gar nicht so genau wissen.
Während im Online-Weinverkauf ausführliche Verkostungsnotizen üblich sind - woher soll die Orientierung auch sonst kommen, wenn man das Produkt nicht mal beschnuppern kann? - lassen fast alle Winzer, die ich kenne, lieber ihre Produkte bei einer Weinprobe für sich sprechen, in ihren Preislisten beschränken sie sich in der Regel auf wenige Angaben zu Jahrgang, Traubensorte, Qualitätsstufe und vielleicht noch Säure- und Restzuckergehalt. Selbst mein Stammlieferant Jacques' Weindepot präsentiert zwar seine Winzer ausgiebig, verrät über den Charakter der Weine aber nur so viel, um den neugierig gewordenen Leser zu einer Verkostung zu locken, aus gutem Grund.
Wie hier schon gelegentlich erwähnt wurde, ist es quasi unmöglich, den Geschmack eines Weines eindeutig, wissenschaftlich exakt und neutral zu beschreiben. Die Firma Delinat ficht das nicht an, sie liefert gleich zwei Verkostungsnotizen, eine davon von dem südbadischen Winzer Jürgen von der Mark, der sich mit dem Titel Master of Wine schmückt. Ich dachte unwillkürlich an die Parker-Weine von Aldi und legte die Verkostungsnotizen ungelesen zur Seite. Bei Weinproben lasse ich mich ungern manipulieren, wie ein Wein mir schmecken soll.
Gerne nehme ich aber zur Kenntnis, dass der Pasión Delinat aus der aufstrebenden spanischen Weinbauregion La Mancha stammt, zu 90% aus der spanischen Edelrebe Tempranillo gekeltert ist, unterstützt von 10% Cabernet Sauvignon, und dass er vier Monate im Eichenfass zugebracht hat. Das sind zwei Monate zu wenig, um ihn zur Crianza zu adeln, aber das muss ja kein Nachteil sein, davon später mehr.
Die Verkostung des Weines erfolgte dann stilgerecht im Kreise des bewährten vierköpfigen Mankannsessen-Teams während eines von Mipi perfekt abgestimmten Menüs. Meine Erwartungshaltung in bezug auf den Wein war ehrlich gesagt nicht besonders groß. Dass auf dem Etikett stand, der Wein sei aus "sonnengereiften, saftigen Tempranillo-Trauben gekeltert" (aus was denn sonst, etwa aus vertrockneten Schattengewächsen?!?), machte es nicht besser.
Umso größer war dann die Überraschung. Dass ein spanischer Rotwein im Glas rubinrot funkelt, war jetzt noch im Rahmen des Üblichen. Das Bouquet konnte dann aber für einen gerade mal drei Jahre alten Rotwein schon beeindrucken. Komplexe, würzig-fruchtige Aromen stiegen einem in die Nase. Eindeutig ein Tempranillo, sagte das Aromengedächtnis, nicht übermäßig schwer, kein penetrantes Barrique-Parfüm. Insgesamt harmonisch ausbalanciert, nichts drängt sich auf, man ist gespannt auf den ersten Schluck.
Der war dann eine kleine Offenbarung. Am Gaumen spürt man sofort, dass man hier kein spanisches Schwergewicht vor sich hat, sondern eher einen durchtrainierten Leichtathleten. Im ersten Moment ist man überrascht von der fast jugendlichen Leichtigkeit und den Fruchtnoten von Sauerkirsche und Cassis, die dann alsbald ergänzt werden von zarten Tabaknoten und einem dezenten Barrique-Touch. Die präsente, aber nicht aufdringliche Säure und die trotz des jugendlichen Gesamteindrucks diskreten Tannine sorgen für ein herrlich samtiges Mundgefühl und einen langen Nachhall (ich hasse das Wort "Abgang"...).
Das Urteil des Verkostungsteams erging diesmal in seltener Einmütigkeit: Der Pasión Delinat ist ein sehr ausgewogener, zugänglicher und bekömmlicher moderner spanischer Rotwein, der vom Stil her nahe bei einer Crianza liegt, jedoch die Frische eines Vino Joven aufweist. Dabei ist er mit 13,5 Vol.-% Alkohol alles andere als schwachbrüstig. Delinat gibt für den Wein eine Temperaturempfehlung von 16-18 °C, der man besonders an warmen Tagen unbedingt Folge leisten sollte. Wer gern mediterrane Rotweine mag, die Spanier aber bisher wegen ihrer Barriquelastigkeit und Schwere gemieden hat, sollte sich den Pasión Delinat unbedingt genauer anschauen.
Und wer jetzt noch glaubt, ein solcher Wein, noch dazu mit Bio-Label, müsste teuer sein, wird ein weiteres Mal positiv überrascht. Ganze 7,30 Euro muss man pro Flasche investieren, das nenne ich mehr als fair. Update an dieser Stelle: Der Preis ist tatsächlich seit 10 Jahren (!) stabil, auch der aktuelle Jahrgang wird nach wie vor zu diesem Preis angeboten. Und die schöne, wirklich stimmungsvolle Flamenco-CD bekommt man noch gratis dazu, wenn man möchte. Chapeau, Firma Delinat! Ich denke, ich werde bei Gelegenheit noch weitere Weine Eures Sortiments probieren. Und natürlich hier berichten.
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